Es war alles schon da: Die Gruppenbildung. Die H-Groups (z.B. Björlo mit Prokes, Nymalm, Skovlyst), die E-Groups auf dem Podest (Thoresen - Mårtensson). Die Mediengefälligkeit. Die schwache Reaktion der IOF und damit verbunden die jährliche Wiederkehr des Themas. Zugleich die trad. Kritik an Medienformaten. Ein Artikel aus dem OL Heft 3/1998; Autor: Thomas Scholl.
Bild Faksimile Artikel OL Heft 3/98 (Scan: Roger Vogel)
War die WM unfair?
TS. Das tschechische Team hat sich bei der Internationalen OL-Föderation über die letzte WM beschwert. Das klassische Rennen der Herren sei durch das kurze Startintervall entwertet worden.
Das Thema gab schon im Vorfeld der WM in Norwegen zu reden. Die Regeln sagen klar, dass das normale Startintervall für Läufe über die klassische Distanz drei Minuten sei. Die Veranstalter wünschten aber eine Verkürzung auf zwei Minuten, um das Rennen kürzer und atrraktiver zu machen. Eine private Fernsehstation wollte den Lauf direkt übertragen. Der IOF-Vorstand gab diesem Wunsch nach und bewilligte die Ausnahme.
Der TV-Sender gab seine Pläne dann auf und stellte seine Aktivitäten vor der WM ein. Da konnte oder wollte aber niemand mehr den Entscheid über das Startintervall rückgängig machen. die Folgen sind dank der elektronischen Postenkontrolle mit dem Emit-System (vormals Regnly-System) klar zu erkennen: Es kam zu zahlreichen Zusammenschlüssen von Läufern.
Der Schnellzug Mårtensson, Jörgensen, Thoresen
So war Jörgen Mårtenssson vom vierten Posten an mit Carsten Jörgensen zusammen, vom zwölften Posten an war auch Petter Thoresen dabei. Von da an liess sich der Schnellzug nicht mehr aufzuhalten. Später kam noch Allan Mogensen dazu. Diese vier Läufer belegten schliesslich die Ränge 2., 4., 1. und 13. Kjetil Björlo, Tomas Prokes und Sören Nymalm waren vom achten Posten beieinander und wurden 3., 5. und 11. Der wenig bekannte Australier Tom Qualye lief offenbar vom vierten Posten an gemeinsam mit Edgaras Voveris und Johan Ivarsson - Plätze 14., 12. und 7. Pech hatte der zuletzt gestartete Finne Timo Karpinnen: Bis zur Hälfte war er etwa gleich schnell wie Mårtensson, aber dann verlor er, allein laufend, gut fünf Minuten auf ihn und wurde nur 10.
Zum Teil profitierten schwächere Läufer vom Tramfahren mit stärkeren, zumm Teil bildeten sich Gruppen von gleich starken Läufern, die zwar nicht bewusst zusammenarbeiteten, aber sich gegenseitig zu Leistungen antrieben, die sie alleine kaum erbracht hätten. Auch darauf können die Zwischenzeiten Hinweise geben. Wer regelmässig als erster einer Gruppe stempelte, war wohl eher der Chef und leistet mehr Führungsarbeit als jener, welcher immer fünf Sekunden später kam. Wenn aber aus einer Gruppe einmal dieser und einmal jener Läufer zuerst am Posten war, trugen wohl alle zum Tempo bei. Das dürfte für Thoresen und Mårtensson zutreffen, von denen der eine sieben der andere sechsmal als erster stempelte.
Medien oder Fairness?
Im Grunde geht es um die Frage, wie grosse Konzessionen der OL-Sport an Zuschauer und Medien im Bezug auf Fairness machen soll. Der Unmut der tschechischen Läufer ist verständlich. Nach ihrer Meinung genügen die Kurzdistanz- und Park-Wettbewerbe diesem Zweck. Der klassische Lauf solle die Königsdisziplin des OL-Sports bleiben rein und fair. Der Final der WM97 sei kein Einezlrennen gewesen, sondern ein Wettkampf von Gruppen verschiedener Grösse. Zu diskutieren sei deshalb für die nächste WM sogar ein Startintervall von vier Minuten, mit nur 40 oder 50 Finalteilnehmern, statt 60 wie heute.
Die zuständige Kommission der IOF hat inzwischen beschlossen, das Startintervall solle in Zukunft an der WM über die klassische Distanz drei Minuten betragen. Das war allerdings schon vorher die Meinung der Techniker. Ober der IOF-Vorstand sich daran hält, ist eine andere Frage. Er allein ist für Ausnahmen zuständig. Solang die Gunst der Medien und Sponsoren das wichtigste Ziel im internationalen OL ist, kann man weitere Versuche in diese Richtung kaum ausschliessen.
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